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Heimbeirat äußert Missmut über geplante Schließung des Seniorenstifts Burg Schlitz„Die Menschen sind den Entscheidungsträgern egal!“

SCHLITZ (pm). Die Nachricht von der geplanten Schließung des Seniorenstifts Burg Schlitz vor wenigen Wochen schlägt immer noch riesige Wellen. In der Diskussion der Entscheidungsträger über die Zukunft des Heims und damit auch der Bewohner ist selten ein Wort zu den Menschen zu vernehmen, die im Seniorenstift leben und arbeiten. „Sicherheitsvorschriften“, „Rentabilität“ und „Bürgschaft“ sind die vorherrschenden Schlagworte. Nun meldet sich der Heimbeirat zu Wort: Die alten Leute haben Angst.

Im Seniorenstift leben derzeit 63 Menschen, betreut von 65 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie sind es, die die Schließung trifft. Für die Heimbewohner äußerte sich vor wenigen Tagen der Heimbeirat – die herrschenden Schlagworte aus ihren Reihen sind „Trauer“, „Fassungslosigkeit“ und „Angst“ – Worte, die die Träger zum Nachdenken anregen sollten, finden Barbara Wepler, Ingeburg Kleine, Marianne Haipeter, Anna Jost und Rosita Fuchs.
Ingeburg Kleine, externes und ehrenamtliches Mitglied im Heimbeirat, bedauert es sehr, dass das Wohl der Bewohner keine Rolle bei der Entscheidung zur Schließung gespielt zu haben scheint: „Die Eichhofstiftung hat wohl zugesagt, alle Bewohner des Seniorenstifts zu übernehmen, dennoch: Schöne Aussichten sind das nicht! Hier haben sich die älteren Herrschaften eingewöhnt, kennen ihre Pfleger und Pflegerinnen, haben Vertrauen gewonnen. Wie lange wird es dauern, bis sie sich in einer anderen Einrichtung so wohlfühlen werden wie hier?“ fragt die engagierte Helferin, dich auch im Hospizverein aktiv ist.

Schulterschluss zwischen Bewohnern und Mitarbeiterschaft

„Die Menschen, die das entschieden haben, sollten mal einen Tag hier verbringen und erleben, was wir hier erleben und wie wir hier umsorgt werden. Dann würden sie verstehen, dass wir hier nicht wegwollen“, pflichtet Marianne Haipeter bei. Angesichts dieser Äußerungen stellt sich tatsächlich die Frage, wie bedeutend die Belange und
Wünsche der Bewohner und Belegschaft bei der Entscheidung zur Schließung wohl waren.
Im Haus regt sich Widerstand: Es gibt einen engen Schulterschluss zwischen den beiden Wohnbereichen, Bewohner wie Mitarbeiter rücken noch enger zusammen – wie zum Trotz. „In dieser unglaublich guten Stimmung ist es kaum vorstellbar, dass die Schließung tatsächlich realisiert wird“, finden die Mitglieder des Heimbeirats. Mit einer Unterschriftenliste sammeln sie in und um Schlitz herum Stimmen, die ihren Missmut über die geplante Schließung teilen und vor den Entscheidungsträgern zum Ausdruck bringen sollen.

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„Der Bürgermeister kommt immer durch und niemand bietet ihm Paroli“ – Ingeburg Kleine, externes Mitglied im Heimbeirat.

In erster Linie haben sie den Magistrat der Stadt Schlitz im Fokus: mit seiner Forderung nach einer Bürgschaft für die zunächst als Darlehen laufenden Zuschüsse aus dem Sozialministerium für den zuvor geplanten Neubau soll die Stadt selbst das Zünglein an der Waage gewesen sein, die zur Schließung tendierte. „Wir sind enttäuscht von der hiesigen Politik, dass sie das zulässt“, fasst Marianne Haipeter zusammen, was viele dort denken. Traurig fügt sie hinzu: „Wir wissen, dass so eine Petition wenig Aussichten auf Erfolg hat. Aber wie sonst sollen wir unseren Unmut ausdrücken?“

„Niemand bietet dem Bürgermeister Paroli“

Auch vermisst man im Seniorenstift eine Reaktion der Opposition im Schlitzer Stadtparlament. Und auch die Vertreter der örtlichen Kirchen hätten bisher keine Partei für die Menschen im Seniorenstift ergriffen. Besonders der zuständige, katholische Seelsorger habe keine Reaktion gezeigt. Seit langer Zeit gebe es auch keine Heiligen Messen mehr im Hause. Das allgemeine Desinteresse an ihrem Schicksal stimmt die Bewohner traurig. Fassungslos stehen sie alldem gegenüber.
„Der Bürgermeister kommt immer durch, und niemand bietet ihm Paroli“, bringt Ingeburg Kleine auf den Punkt, was viele hier denken: „Das Neubauprojekt war gegen den Widerstand der Politik nicht denkbar!“ Die Gründe für die jetzt beschlossene Schließung des Heims erscheinen den Betroffen fadenscheinig: Der häufig ins Feld geführte Brandschutz sei gewährleistet, heißt es im Heimbeirat, und eine wirtschaftliche Schieflage könne man sich dort auch nicht vorstellen.

„Es ist furchtbar, was hier passiert“

„Ich habe mich noch nie so wohlgefühlt, wie hier“, bekundet Barbara Wepler. Sie ist den Tränen nah und kann ihre Enttäuschung über die Behandlung durch die entscheidenden Gremien und ihre Trauer über die geplante Schließung kaum verbergen. Auch Anna Jost geht die ganze Sache nah. Sie wohnt seit knapp zwei Jahren im Seniorenstift und sieht keine Alternative zu diesem Haus, von dem sie so überzeugt ist: „Es ist furchtbar, was hier passiert.“

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„Besonders schwierig wird ein Umzug für alte Menschen mit Orientierungsproblemen“ – Rosita Fuchs, externes Mitglied im Heimbeirat.

Und auch Rosita Fuchs, externes Heimbeiratsmitglied, bedauert die Entscheidung sehr: „Auf die alten Menschen werden große Umstellungen zukommen. Für viele von ihnen wird das in ihrem Zustand sehr schwierig werden.“ Hinzu kommt, dass auch die Essensversorgung von Menschen mit Menüs aus dem Seniorenstift mit der Schließung eingestellt wird. Der Heimbeirat sieht die derzeit etwa neunzig alten Menschen dadurch in ihrer Autonomie bedroht – ein weiteres Thema, das die Gremien nicht zu interessieren scheint.

Vorne Weihnachtskerze, hinten Trostlosigkeit

Dass es bei allem wieder einmal nur ums Geld und nicht um die Menschen geht, zeige sich für die Heimbewohner auch darin, dass bisher noch kein einziger, der für die Entscheidung zur Schließung verantwortlich zeichnet, im Seniorenstift und bei den Bewohnern habe sehen lassen. Auch auf Briefe und Appelle hat bisher niemand reagiert. „Wir sind denen völlig egal“ – so das frustrierte Fazit der alten Menschen. Von dem kirchlichen Träger sei die Einrichtungsleiterin Martina Büttner angehalten, sich um die Sorgen und Belange der Bewohner und Mitarbeiter zu kümmern. Doch viel mehr als zuhören und trösten kann auch sie nicht. „Wir setzen uns nun dafür ein, dass es allen, die hier sind, noch so lange wie möglich gutgeht“, so Büttner auf Anfrage.
Am Hinterturm des Stifts erstrahlt nun wieder die größte Weihnachtskerze. Im Haus selbst jedoch weiß niemand, ob sie dies auch im nächsten Jahr noch für die Bewohner des Heims tun wird.

2 Gedanken zu “„Die Menschen sind den Entscheidungsträgern egal!“

  1. Ich unterschreibe jedes Wort meines Vorredners!
    Die Entscheidungsträger befinden gerade über ihre eigene Eltern-Generation, denen sie ihren eigenen Wohlstand zu verdanken haben!
    Besonders scheinheilig und entlarvend empfinde ich die Nicht-Reaktion der katholischen Kirche bzw ihres „Bodenpersonals“, der sich, dem Bericht zufolge, seit längerer Zeit nicht mehr um das seelische Wohl seiner „Schäfchen“ gekümmert zu haben scheint.

  2. Super Bericht ich hoffe das die Entscheidungsträger bald mal merken das nicht nur das Geld zählt sondern auch die Menschen. Wir reden hier schließlich von der Generation, die und nach dem Krieg zu dem Wohlstand verholfen hat, in dem wir jetzt leben.

    viele Grüße Harald Zeidler

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