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Toter und fünf Verletzte in Ober-Ofleiden – Sprengstoff nicht aus dem MHI-SteinbruchSprengstoff aus einem Marburger Steinbruch?

OBER-OFLEIDEN (aep/ol). Die Lärchenstraße in Ober-Ofleiden ist eigentlich eine beschauliche Wohnstraße mit viel Grün. Einfamilienhäuser auf der einen Seite, abgetrennt von Bäumen und Büschen liegt das AOK-Bildungszentrum auf der anderen. Die Innenstadt Hombergs ist schnell erreicht. Am Sonntagmorgen aber erinnert ein Stück der Lärchenstraße an Szenen, wie man sie aus Bagdad kennt: Verwüstete Häuserfassaden mit leeren Fensterlöchern kennzeichnen die Stelle, wo sich am frühen Morgen das Drama abspielte, bei dem sich ein Mann in die Luft sprengte. Die Tat wirft Fragen auf. Eine wird nachmittags beantwortet: wo der Sprengstoff nicht herkommt.

Zu der schweren Explosion war es am Sonntagmorgen um kurz nach 6 Uhr gekommen. Fünf Menschen – drei Anwohner und zwei Polizisten – wurden verletzt, einer getötet – der Verursacher, der sich vor den Augen zweier Polizisten im Auto in die Luft sprengte. Die Druckwelle zerreißt das Auto in Fetzen, die weit verstreut werden. Der Motorblock liegt in einem Gebüsch auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Am Haus sind alle Fenster eingedrückt, auch andere Häuser haben geborstene Scheiben und teilweise abgedeckte Dächer.

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Nur ein Krater verrät, wo das Auto bei der Explosion gestanden hat.

Für solch eine Detonation braucht es richtigen Sprengstoff. Den hat der Familienvater sich offenbar aus Beständen geholt, die ihm beruflich zur Verfügung standen. „Er hatte eine sprengstofftechnische Erlaubnis“, betont ein Polizeisprecher. Und er hatte offenbar die Möglichkeit, auch nachts an ein Sprengstoff-Depot zu kommen. Die naheliegendste Erklärung, die als Gerücht herumgeistert, ist aber nicht die richtige, stellt der Polizeisprecher fest: Der Sprengstoff stammt nicht aus dem nahen MHI-Basaltsteinbruch. Vielmehr habe der Mann in einem Steinbruch bei Marburg gearbeitet.

Dorthin ist er möglicherweise auch gefahren, als er nachts das Haus verlassen hatte. Nach ihm fahndende Polizeibeamte konnten den Mann aber nicht entdecken – erst als der Renault Megan wieder am Haus auftauchte. Er fuhr dicht davor, und bevor zwei Beamte in einem Auto auch nur aussteigen und mit ihm sprechen konnten, explodierte der Renault in einem gewaltigen Knall, der noch Kilometer entfernt registriert wurde. Dass sie noch im Wagen saßen, war wahrscheinlich ihr Glück

Angesichts der Zerstörungen, die die Explosion in weitem Umkreis anrichtete, erscheint es wie ein Wunder, dass der Mann nicht andere Menschen mit in den Tod riss. Ein tiefer Krater blieb, wo das Auto explodiert war. Auch der Streifenwagen der beiden Polizisten wurde beschädigt.

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Zahlreiche Autos in der Umgebung wurden beschädigt.

Nach Schilderung der Polizei war es gegen 4:30 Uhr zu dem Familienstreit gekommen, in dessen Folge der  Familienvater das Haus verließ und mit seinem Fahrzeug wegfuhr. Da er im Besitz einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis war und drohte, sich selbst und die Familie zu schädigen, hatte die Polizei sofort nach ihm gefahndet.

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Die Druckwelle riss von mehreren Häusern Dachziegel ab und beschädigte Fassaden.

 

Ungezählte Einsatzkräfte aus dem Vogelsbergkreis und dem angrenzenden Landkreis Marburg-Biedenkopf rückten zu der Explosionsstelle an. Zwei kleinere Brände mussten von der Feuerwehr Homberg gelöscht werden, mehrere Rettungsteams versorgten die Verletzten.

Derzeit, so erklärt der Sprecher Wolfgang Keller, werde ermittelt, wo der Mann den Sprengstoff her hatte. Seine Familie, offenbar seine Ehefrau und zwei Kinder, die sich zum Explosionszeitpunkt nicht in der Wohnung befanden, kamen mit leichten Verletzungen und einem Schock davon.

Stadt bringt Bewohner provisorisch unter – Dören: „Ruhe erste Bürgerpflicht“

Das Haus, in dem die Familie wohnte, sieht schwer beschädigt aus. Es ist noch offen, ob es derzeit bewohnbar ist. Ein Statiker soll am Montag die Standfestigkeit prüfen. In der Umgebung behalfen Nachbarn sich mit Planen, um Löcher in Dächern abzudecken.

Die Stadt Homberg, deren Bürgermeister Béla Dören ebenfalls den Tatort besichtigte, hat die Familien der betroffenen Häuser in  anderen Einrichtungen untergebracht, solange die Statik durch einen Fachmann begutachtet wird. Zum Zeitpunkt der  Explosion befand sich die Familie des 49-jährigen Mannes nicht in ihrem Wohnhaus.

Bürgermeister  Dören sprach von einer menschlichen Tragödie, er kündigte für die Betroffenen Hilfe an und mahnte zur Besonnenheit: „Ruhe ist jetzt die erste Bürgerpflicht“.

Polizei warnt vor Sprengstoff-Teilen

Die Polizei warnt vor Sprengstoff-Teilen oder Sprengstoff- Zündern, die eventuell durch die Explosion im Umkreis der Schadensstelle im Lärchenweg verteilt wurden. Bei  dem Sprengstoff handelt es sich um etwa 50 bis 60 Zentimeter lange Stangen. Die  Zünder sind etwa 5 bis 10 Zentimeter lange Aluminium-Hülsen im Durchmesser von  5 bis 10 Millimeter mit je einem grünen und einem gelben Draht. Eine direkte  Gefahr geht von diesen Gegenständen nicht aus. Sie sollten aber  keinesfalls in die Hand genommen werden. In der Nähe dieser Gegenstände sollten keine Handys oder Funkgeräte genutzt werden.

Anwohner des Bereichs um den Lärchenweg werden gebeten, bei  Auffinden solcher Objekte, aber auch bei festgestellten Schäden an  Häusern oder anderen Gegenständen die Polizei anzurufen. Diese hat  ein Bürgertelefon eingerichtet, welches unter der Nummer 0661-1054444 erreichbar ist.

Fragen, wie und woher der Mann sich Sprengstoff besorgen konnte, warum er nicht gefunden werden konnte und wie es der Familie geht, will die Polizei im Laufe des Nachmittag klären.

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Rettungsdienste waren vor Ort, um die Verletzten zu versorgen.

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Sonntagvormittag: Die Polizei ermittelt. Die Schar Medienvertreter darf nur bis 100 Meter an den Tatort heran. Foto: aep

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Polizeisprecher Wolfgang Keller gibt zahlreiche Stellungnahmen vor laufender Kamera ab. Foto: aep

 

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