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Auch OL-Redakteur Axel Pries machte bei der ICE Bucket Challenge mit: nominiert von betroffener Freundin – Sie erklärt, was die Krankheit eigentlich bedeutetALS – „Es ist definitiv die Hölle“

ALSFELD. Donnerstagabend, das war’s passiert: die Nominierung zur Ice Bucket Challenge, dem Renner derzeit in Facebook. Einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf schütten und/oder Geld spenden für die Erforschung von ALS. Mit so’ner Aktion habe ich gar kein Problem, solange es mich nicht trifft. Und nun das – ein Ruf aus dem fernen Norden: Tu das auch! Hätte ich ja ignorieren können – aber dann doch nicht. Denn die Frau, die mich derart bedenkt, eine Freundin von früher, ist betroffen. Ihr Ehemann hat dieses berüchtigte ALS, von dem die meisten erst durch die Eiswasser-Kur etwas erfahren haben. Wir haben telefoniert, und was sie erzählt, ist einfach erschütternd. ALS ist ein Killer, der sein Opfer seiner Würde beraubt, quält und unweigerlich tötet. „Er wird sterben“, sagt Frauke über ihren Mann. Sie findet die Ice Bucket Challenge gut – ich mache mit.

 

Das ist eine der guten Seiten dieses sozialen Netzwerks, über das sonst nicht ganz zu Unrecht geschimpft wird: Auf Facebook habe ich vor zwei Jahren Frauke wiedergefunden, die inzwischen Schubert heißt, und mich in einem früheren Leben ein Stück begleitet hat. Vor über 20 Jahren. Das war im hohen Norden, und da wohnt sie heute noch, in Neustadt (Holstein), hat eine Familie mit drei eigenen und Kindern in Pflege gegründet, hat einen Beruf und könnte glücklich sein – wäre das nicht dieses ALS, die „Aller Letzte Scheiße“, wie die 45-Jährige voller Wut in ihrem Facebook-Account schreibt.

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Wohin mit Spenden?

Bei der ICE Bucket Challenge geht es bei aller persönlicher Herausforderung für die Teilnehmer vor allem darum, auf ALS aufmerksam zu machen – und Spenden zu sammeln. Wer nicht weiß, wohin er/sie spenden soll: Frauke Schubert spendet und bittet um Spenden auf das Konto dieser Organisation: Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke.

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ALS drang vor vier Jahren in das Leben der Familie Schubert, als ihr Ehemann Bernd das erste Mal bemerkte, dass die Zunge sich so schwer an fühlt, so unbeweglich. Sein Verdacht ging sofort in Richtung Amyotrophe Lateralsklerose, obwohl die Krankheit sehr selten auftritt. Aber seine Mutter war schon  daran gestorben. Er war sich nicht sicher, sagt Frauke Schubert – aber die Angst war sofort da. Es folgte eine einjährige Odyssee unter Ärzten, bis die Diagnose feststand. „Die trauen sich oft nicht zu sagen: Das ist ALS.“

Vielleicht, weil ALS so schrecklich ist: „Du bekommst die Diagnose, und du weißt: Das war’s!“, erzählt Frauke. Es gibt kein Gegenmittel, keine Heilung, nur ein teures Medikament, das die gute Zeit um vielleicht drei Monate verlängern kann. Die „gute Zeit“, das ist die Phase vor der Pflegebedürftigkeit, wenn man die Symptome noch erklären muss. Bernd Schubert hat die bulbäre Form von ALS: Die beginnt oben. Er spricht lallend, torkelt oft. „Es wirkte, als ob er betrunken ist“, erzählt Frauke. Leute sprachen sie an: „Was hat er denn?“

Der Verfall schreitet drastisch voran

ALS tötet schnell oder sehr langsam – aber der Verfall schreitet stets drastisch voran. Bernd Schubert kann bald nicht mehr gehen, Arme und Hände sind völlig ohne Funktion, die Lippen können nicht mehr schließen, von Schließmuskelkontrolle ganz zu schweigen. Er wird zu einem völligen Pflegefall in der Familie. Seine Frau ist Krankenschwester, das hilft eine Weile. Sie stellt eigene Bedürfnisse ganz hinten an. Sie spürt: Der Zustand des Vaters macht den drei Kindern – heute 18, 13, 9 Jahre alt – sehr zu schaffen. „Sie vermissen ihren Vater unendlich, und sie haben Angst, dass die Krankheit sie auch holt.“

Im April kam Bernd Schubert in ein Heim, zu intensiv ist die Pflege geworden, die er inzwischen benötigt. Er kann noch etwas sprechen, aber für jede Handlung benötigt er eine elektronische Blick-Steuerung – am besten auch für die Kommunikation. Dass der 48-jährige überhaupt noch lebt, liegt daran, dass er einst ein sehr stattlicher Mann war, sagt seine Frau, einer mit vielen Muskeln – die abzubauen oder außer Betrieb zu nehmen offenbar länger dauert als im Durchschnitt bekannt.

Und wie erlebt das alles Bernd Schubert selbst? „Es ist definitiv die Hölle“, erzählt seine Frau und man spürt an ihren Worten, dass die Krankheit und Tod schon lange begleitende Themen sind. Er ist im Kopf völlig klar, erlebt bewusst, wie sein Gehirn immer mehr die Kontrolle der Muskeln verliert. „Es gehen einfach keine Signale mehr raus!“ Sterben wird er, wenn die Atemmuskulatur betroffen ist. Er wird ersticken – aber wenigstens in einer Art Kohlendioxid-Narkose durch zu intensives Hecheln. Wann, das ist nicht klar.

„Er möchte halt leben“

Deshalb ist Frauke Schubert auch eine Befürworterin dieser so umstrittenen wie erfolgreiche Aktion mit der Eiswasserdusche, machte selbst auch mit: „Ich finde die ICE Challenge klasse. Wer kennt die Krankheit schon? Es kann wirklich jeden treffen.“ Die Challenge, das räumen sogar Marktforscher ein, ist eine so erfolgreiche PR-Maßnahme, dass eine Marketing-Abteilung sie gar nicht bewusst nachahmen könnte. Vielleicht, so hofft Frauke Schubert, gelingt es durch mehr Aufmerksamkeit und Forschung doch noch, eine Therapie gegen ALS zu finden.

Da wird ihr Mann Bernd nichts mehr von haben. Er hofft nur noch, den Sommer noch zu erleben, weiß um sein baldiges Ende: „Er weint sehr viel“, sagt Frauke, „er möchte halt leben.“

Von Axel Pries

2 Gedanken zu “ALS – „Es ist definitiv die Hölle“

  1. Ein Freund ist im letzten Jahr daran gestorben. Er war Lehrer aus Leidenschaft und mußte deutlich vorzeitig aus dem Schuldienst ausscheiden, weil er sich der Klasse nicht mehr verständlich machen und noch nicht mal mehr nen Stift halten konnte.

  2. Hallo Herr Pries

    Wie gut das noch Menschen gibt die mit diesem so furchtbaren Thema, so klar umghen und keinen Megawitz daraus machen; was ich da z.T. sehe tut weh.

    Die Informationen ihres Textes sollte jedem zu denken geben …..!

    Eine nachhaltige Forschung für kommende Generationen ist das was gebraucht wird ….. ok wenn durch Eisduschen ernsthaftes Geld zusammen kommt her mit dem Eimer ….

    Kurt Groefke

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