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Alltagstest für Elektroautos bei Oberhessen-live: der Ford Focus electricEchter Fahrspaß mit vielen Schmetterlingen

ALSFELD. Manchmal macht der Job als Journalist ja so richtig Spaß. Wenn der Vorsitzende vom Luftsportverein zum Freiflug einlädt zum Beispiel. Oder wenn man nach dem Auftritt noch mit den Künstlern zusammensitzt, über die man schreibt. Oder wenn man arglos über ein exotisches Auto schreiben möchte – und dann das blanke Staunen kriegt. Es geht wieder um eines mit reinem Elektroantrieb, diesmal um den Ford Focus electric. Ein Auto, das richtig Spaß macht – und sei es nur beim Sammeln von Schmetterlingen – soweit es fährt.

Nach dem kleinen Peugeot iOn stand die Variante von Ford an, einen Arbeitsalltag bei Oberhessen-live mitzumachen – um die Frage zu beantworten: Ginge das mit einem reinen Elektro-Auto? Einem, das kein Benzin oder Diesel verbraucht? Die weiteren Fragen zu Sinn oder Unsinn von E-Antrieb möchte ich hier nicht erläutern – siehe Peugeot-Artikel – sondern nur Erfahrungen aus der Sicht eines Nicht-Fachmanns wiedergeben – wie sie nunmal 95 Prozent aller Autofahrer sind. Als solcher stelle ich vorweg fest: Der Ford Focus electric ist ein spannender Wagen, der so gar nicht nach den üblichen Elektro-Kompromissen aussieht.

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„Das ist er“: Kfz-Meister Gert Schott zeigt den erstaunlich kleinen Elektro-Motor unter der Motorhaube.

Die Autobörse Köhler in Alsfeld stellte den Ford für einen Tag zur Verfügung – ein Auto, das man ohne die große  Aufschrift unter den anderen gar nicht erkennen würde. Diese Elektro-Variante basiert nämlich auf dem sportlichem Ford Focus „Titanium“ – jenem Focus mit gehobener Ausstattung, dem die Ingenieure ein Elektrotriebwerk unter die Motorhaube gebastelt haben. Da schimmert es erstaunlich klein zwischen tausend Drähten und Rohren metallisch hervor – und birgt ungeahnte Kraft.

Also: Ab in den Fahrspaß! Der beginnt gleich auf den ersten Fahrtkilometern mit Ford-Händler Jörg Köhler auf dem Beifahrersitz – zum Kennenlernen. „Gib Gas! Ordentlich!“, fordert er auf, sobald das Ortsschild passiert ist. Ich drücke auf die Tube – und bin beinahe erschrocken, wie das Vehikel abgeht. 145 PS hat der Motor. Elektrische PS, die schon bei geringerem Drehmoment zupacken. Und das spürt man halt beim Kickdown. Aber was für ein Fahrgefühl!

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Wo die Schmetterlinge wachsen: die Anzeigen im übersichtlichen Armaturenbrett.

Kein Aufheulen des Benziners, keine Schaltstufen spürbar, nur sattes Summen vorne unter der Haube verrät die Arbeit des Triebwerks, das in den Sitz drückt. Woher kenne ich bloß das Geräusch? Ja, so war’s: „Scotty! Energie!“ Fällt mir ein – und da sind wir schon bei 100 und in der ersten Kurve der Landstraße. „Bleib dran!“ Flach wie eine Flunder fegt der Wagen da durch – dieser Focus macht auch ohne Strom-Motor neugierig. Und die E-Variante lässt eine Auto-Normalo wie mich schlicht staunen.

Ein paar Minuten später sehen wir allerdings den Preis der Adrenalin-Schleudertour: Die beim Start angezeigte Reichweite von 162 Kilometern ist auf 90 zusammengeschrumpft. Auf knapp sechs Kilometern. Den Rest des Tages wird es gemütlicher zugehen, schwant mir da. Noch einmal geht’s los, diesmal alleine, und nun kann ich entdecken, was die Wunderwelt des Elektroantriebs so alles bietet.

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Witzig bis nützlich: Der blau leuchtende Halbkreis an der Steckdose zeigt von außen den Ladezustand des Akkus.

Ein spannendes Armaturenbrett zum Beispiel, das sämtliche Bequemlichkeiten moderner Autos bietet – bis hin zur automatischen Türöffnung bei Annäherung. Okay, gebongt. Dann die Elektro-Anzeigen: Akkustand, Reichweite – und die Schmetterlingssammlung. Richtig gelesen: Schmetterlingssammlung. Wer ökonomisch fährt, dem zaubert das System Schmetterlinge aufs Display. Je ökonomischer, desto mehr. Das nennt sich denn: „im Budget bleiben“. Ich starte ohne – Folge der Kickdown-Erlebnisse, fahre moderat nach Homberg/Ohm zu einem Termin. Tempo hundert, Motorbremse an den Ortsgrenzen – und der Akku lädt. So sammelt man Schmetterlinge. Bis ich den ersten sehen konnte, dauerte es, weil es erst einmal einfach Spaß macht, den Motor zu reizen. Keine Schmetterlinge auf dem Display – aber im Bauch.

Bis Homberg werden doch noch welche sichtbar – auch weil ich die Heizung ausgeschaltet habe. Die zieht nämlich offenbar ordentlich Strom, zeigt die Verbraucheranzeige auf. Neun kleine Falter belohnen mein Ausharren im kalten Luftstrom. Macht nichts, die Sonne wärmt. Auf der Rückfahrt von Homberg ein Laster vor mir – ewiges Problem aller Autofahrer auf der B62, weil kaum überholbar. Aber hier: Die Strecke ist 300 Meter weit frei. Fuß drückt aufs Gas, Auto schießt nach vorne, fast ins Lkw-Heck, weil die Kraftentfaltung so unmittelbar geschieht – und dann ist das Hindernis auch schon vorbei. Schon flott dieser E-Wagen.

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Eher kleiner Kofferraum: Der 300 Kilogramm schwere Akku engt die Möglichkeiten für Gepäck ordentlich an.

 

Mit etwas Bedauern steige ich in Alsfeld aus, um meine Büro-Arbeit zu beginnen, gehe einmal drum herum. Die runde Außenanzeige um den Deckel der Steckdose ist witzig: Der Kreis zeigt mit seiner Beleuchtung den Ladestand des Akkus – von außen! Im Kofferraum liegt meine Fototasche. Hier zeigt sich ein typischer Elektro-Kompromiss: Der ist relativ klein. Der 300 Kilogramm schwere Akku braucht einfach Platz – und lässt wenig Raum für Koffer: 237 Liter sagt der Ford-Prospekt. Dieser Akku hält 23 Kilowattstunden Energie bereit. Die kosten pro Ladung also ungefähr sieben Euro. Damit lässt sich sogar recht günstig fahren, wenn man hochrechnet

Wenn nämlich nur die begrenzte Reichweite nicht wäre. Noch ein Ausflug gen Eudorf mit einer Stadtrunde am Nachmittag, und ich bringe den Focus am Abend zurück. 75 Kilometer bin ich gefahren – und könnte noch 18, sagt die Reichweiten-Anzeige. Mit ordentlich viel Schmetterlingen wären es vielleicht noch 25 – kommen wir also auf 100 Kilometer Reichweite. Da liegt halt wieder die Krux auch des schönsten E-Autos. Hätte ich noch einen Termin oder würde eine Unfall-Berichtserstattung  plötzlich meinen Einsatz erfordern, müsste ich meinen Benziner nehmen, denn die Beladung dauert Stunden.

Und da kommt die Frage nach dem Sinn eines solchen Wagens auf: Sportlich ist er, Spaß macht das Fahren – mit wenig Kompromiss. Aber gerade deshalb sind reale 100 Kilometer Reichweite eine echte Spaßbremse. Die Frage bleibt also eher unbeantwortet: Ist der Focus electro mehr als der Versuch von Ford, im Öko-Bereich Flagge zu zeigen? Wer  39.900 Euro ausgeben möchte, kann die Frage vielleicht beantworten.

Von Axel Pries

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