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Vogelsberg und Schwalm ohne Biotonne – so soll es bleibenWeißer Fleck beim grünen Abfall

VOGELSBERGKREIS/SCHWALM-EDER-KREIS. Die meisten Städte und Kreise haben sie schon, der Vogelbergkreis und die Schwalm noch nicht: die Biotonne. Aber spätestens zum 1. Januar 2015 müssen die zuständigen Städte und Landkreise Grünabfälle getrennt einsammeln und einer sinnvollen Verwertung zuführen. Das will der Zweckverband Abfallwirtschaft Vogelsbergkreis (ZAV) mit einem eigenen Konzept vermeiden: Trennung nach der Sammlung. Es gibt Zweifel an der Sinnhaftigkeit.

„Wir wollen die gesetzlichen Vorgaben so erfüllen, dass keine wirtschaftlichen und keine ökologischen Nachteile entstehen“, beschreibt Hansjörg Fuchs, der als Geschäftsführer des ZAV die Regie über die Abfallströme im Vogelbergkreis führt, die Grundhaltung des Zweckverbands. Eine separate Biotonne bedeute in jedem Fall die Anschaffung zusätzlicher Mülltonnen und zusätzliche Transporte für ihre Entleerung. Die Kosten dafür hat der Bürger über die Abfallgebühr zu tragen. Um ihm diese zu ersparen, solle es bei der bisherigen Einsammlungspraxis bleiben: Die Küchen- und Gartenabfälle werden zusammen mit dem Restmüll in den grauen Tonnen abgeholt.

Trennung in der Sortieranlage, nicht in der Tonne

In einer Sortierungsanlage wird anschließend die Trennung in verschiedene Bestandteile vorgenommen. Neben den diversen Wertstoffen, die in dem Müllmix noch enthalten sind, sollen dann auch die organischen Abfälle ausgeschleust werden. Sie können zu „Ersatzbrennstoff“ verarbeitet und in einer Müllverbrennungsanlage oder in einem Zementwerk „energetisch verwertet“ werden. Denkbar ist auch die Vergärung in einer Biogasanlage, um Biomethan zu gewinnen, das in einem Kraftwerk zur Strom- und Heizwärmegewinnung eingesetzt werden kann.

Welches Verfahren nach der Müllsammlung durch den ZAV in Zukunft zum Einsatz kommen wird, sei noch nicht festgelegt. „Wir gehen davon aus, dass wir mit unserem Konzept die Ziele des Abfallgesetzes erfüllen, dass es als gleichwertig bei der Erfassung der Bioabfälle anerkannt wird und wir die Einführung einer separaten Biotonne so vermeiden können“, fasst der ZAV-Geschäftsführer zusammen.

Ideal, die „Kaskade“: erst Biogas, dann Kompost

Oberstes Ziel des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes ist es – wie der Name schon sagt – die Kreislaufwirtschaft zu fördern, also Abfälle als Wirtschaftsgut nutzbar zu machen, soweit sie nicht gänzlich zu vermeiden sind. Recycling, die Wiederverwendung von Produkten oder Materialien, ist dabei das Zauberwort. Für Gemüsereste, Kartoffelschalen sowie den Rasen- und Heckenschnitt erfordert dieses Recyclinggebot, dass sie zu Kompost verarbeitet werden sollen, um sie anschließend zur Bodenverbesserung in der Landwirtschaft oder dem Gartenbau einsetzen zu können. Wird dieser „stofflichen Verwertung“ noch eine „energetische“ vorgeschaltet, sprechen die Experten von einer Kaskadennutzung und diese bildet die Idealvorstellung von der Kreislaufwirtschaft.

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Bald auch in Vogelsberger und Schwälmer Haushalten? Die Bio-Tonne. Foto: piu700/pixelio.de

 

Bezogen auf Bioabfälle bedeutet dies ihre Vergärung in einer Biogasanlage und die anschließende Nutzung des „Gärrests“ als Kompost. In diesem Zusammenhang ist die Pflicht zur Getrenntsammlung der Grünabfälle zu sehen. Diese sollen einem Recycling auf hohem Niveau zugeführt werden, mit dem Vorrang für die Kompostherstellung und der Optimierung durch eine zwischengeschaltete Biogasgewinnung.

Bio-Müll: Stoff für die Energiewende

Insbesondere letztere (Stichwort: Energiewende) lag auch den Politikern der im Vogelsbergkreis regierenden Koalition aus SPD, Grünen und Freien Wählern zugrunde, als sie sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigten, durch den ZAV „die thermische Verwertung sowie die Energiegewinnung aus einer möglichen Biotonne“ prüfen zu lassen. Diese sollte jedoch in engem Zusammenhang mit der vom Gesetz vorrangig gesehenen „stofflichen Verwertung“ gesehen werden. Von einer „Hierarchie“, die auch von der übergeordneten EU-Richtlinie gefordert wird, spricht Dipl.-Ingenieur Tim Hermann, der im Umweltbundesamt für das Thema zuständig ist. Grundsätzlich hätten Studien nachgewiesen, dass sich getrennt gesammelte Bioabfälle mit denen aus der Restmülltonne nachträglich aussortierten ungefähr gleichwertig verwerten ließen. Entscheidend sei, worauf die Verwertung abziele. Eine stoffliche Verwertung im Sinne der Kompostierung, an deren Ende ein hochwertiger Dünger erzeugt wird, sei nur durch separat eingesammelte organische Abfälle zu erreichen. Solange diese zusammen mit dem Restmüll in einer Tonne landen, seien Belastungen mit Schadstoffen nicht auszuschließen. Den Schaden, den ein weggeworfener Eimer mit Wandfarbe anrichte, könne auch die spätere Aussortierung nicht mehr heilen.

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„Für eine stoffliche Verwertung der Bioabfälle ist eine getrennte Erfassung unumgänglich“, fasst auch die „Studie zur Umsetzung der Pflicht der Getrenntsammlung von Bioabfällen nach § 11 KrWG“ von Dirk Henssen den Stand der Dinge zusammen. Er verweist auch darauf, dass gemischter Hausmüll derzeit „kein zugelassener Ausgangsstoff“ ist für die Erzeugung von Kompost oder Gärprodukten. Dies regelt die Bioabfall-Verordnung. Sie soll, so Tim Hermann, bis 2015 novelliert und damit an diesem Punkt präzisiert werden.

Gesetzgeber: möglichst vollständige Nutzung

Außerdem will der Gesetzgeber erreichen, dass der vorhandene Biomüll möglichst vollständig in diesen Nutzungskreislauf einbezogen wird. Ein Gesichtspunkt, zu dem der Vogelsbergkreis großen Nachholbedarf hat: Laut der Abfallbilanz des Landes Hessen wurden hier 2011 rund 4900 Tonnen Bioabfälle getrennt eingesammelt. Benachbarte hessische Landkreise, die von der Einwohnerzahl her vergleichbar sind, kommen auf erheblich größere Mengen an Biomüll. Der Werra-Meißner-Kreis sammelt beispielsweise rund 12 000 Tonnen und der Odenwaldkreis sogar fast 17 000 Tonnen pro Jahr ein. Beide Kreise verfügen über ausgebaute Systeme zur Getrenntsammlung von Bioabfällen, die teilweise sogar neben der separaten Biotonne ein flächendeckendes System von Sammelstellen für Baum- und Heckenschnitt vorsehen.

 

An solchen – einigen, wenigen – Sammelplätzen landen auch die Vogelsberger Grünabfälle. Es handelt sich im wesentlichen um Gartenabfälle, wie Heckenschnitt und anderes Ast- und Strauchwerk, das in privaten Gärten und bei den Gemeinden anfällt. Teilweise wird daraus Kompost erzeugt, beispielsweise in Alsfeld-Billertshausen. Der übrige Biomüll, wie Rasenschnitt oder Küchenabfälle, landet im Restmüll. Dieser machte 2011 im Vogelsbergkreis rund 17 000 Tonnen aus. Darin dürften 5 000 bis 7 000 Tonnen Bioabfälle enthalten sein. Aus Untersuchungen dazu weiß man, dass diese Abfälle im Restmüll einen Anteil zwischen 30 und 40 Prozent haben.

Vogelsberger kompostieren selbst?

Gegen die Einführung der Biotonne spricht auch, so ZAV-Geschäftsführer Fuchs, dass die Garten- und Küchenabfälle ohnehin schon verwertet werden – durch die vielen Komposthaufen in Oberhessens Gärten. Dabei bliebe so wenig übrig, dass sich der Aufwand für die Einführung der Biotonne nicht rechtfertigen lasse. Dem hält die erwähnte Studie von Dirk Henssen entgegen: „Auch die Tatsache, dass in den dünn besiedelten Landkreisen, die eine Biotonne anbieten, nennenswerte Bioabfallmengen erfasst und verwertet werden, spricht gegen die Behauptung der überwiegenden Eigenkompostierung.“ So sieht dies auch Dr.-Ingenieur Michael Kern, der geschäftsführender Gesellschafter und Mitbegründer des Witzenhausen-Instituts ist, das zu den ersten Adressen für die Analyse von Abfallwirtschaftskonzepten in Deutschland zählt. Er verweist darauf, dass sich in den angesprochenen „Siedlungsstrukturen aufgrund der deutlich größeren Gartenflächen und dem damit verbundenen höheren Grünabfallaufkommen, trotz teilweise gut funktionierender Eigenkompostierung hohe Anteile an Bioabfällen im Hausmüll wiederfinden. Somit ist der Verzicht auf eine Biotonne in ländlichen Strukturen in der Regel nicht sinnvoll.“

 

Aus rechtlicher Sicht müsste das Argument zudem damit untermauert werden, dass der Aufwand für die Biotonne „wirtschaftlich unzumutbar“ ist. Da es in ganz Hessen und darüber hinaus viele Landkreise gibt, die seit vielen Jahren beste Erfahrungen mit der getrennten Sammlung von Bioabfällen machen, dürfte dieser Nachweis nicht leicht zu erbringen sein.

Von Gerhard Kaminski, Umweltjournalist und Redakteur

Bio-Abfall: Was damit möglich ist, verdeutlicht dieser Film:

 

Ein Gedanke zu “Weißer Fleck beim grünen Abfall

  1. Moin
    Also die Biotonne hatten wir ja auch schon.Wurde wieder abgeschaft.Ich fände es gut sie wieder einzuführen, jnd dementschprechend Biogasanlagen zu füttern anstatt lebensmittel wie zb. Mais zu verwenden.

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