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Nachwuchskünstlerin Anna-Lena KlemmDie Bescheidene an der Staffelei

ALSFELD (aep) Sie ist jung, sie ist hübsch, sie ist begabt. Aber wer deshalb das Bild der flippigen, leichtfüßigen Künstlerin hervorholt, der liegt bei Anna-Lena Klemm daneben. Die junge Alsfelderin kann malen, dass der Betrachter in staunendes Entzücken verfällt, ist aber auf dem Boden geblieben und studiert nun – auf Lehramt. Portrait einer (zu) Bescheidenen.

Zum Gespräch hat die 20-Jährige in ihr Zimmer unter dem Dach des elterlichen Hauses geladen: ein gemütlicher Rückzugsraum mit viel Kerzenlicht. Nebenan das „Malzimmer“. Anna-Lena lümmelt sich im Schneidersitz auf ein Sofaende, Mutter Anja kommt hinzu: „Darf ich?“ Kein Problem. Womit das Umfeld bereits geklärt ist, in dem die junge Künstlerin lebt. Sie studiert in Gießen, kommt aber gerne nach Hause zurück – ein Zuhause, das ist spürbar, wo die Familie stolz ist auf das Talent der älteren Tochter. Wo sie geborgen ist.

Das ist kein Wunder. Flur, Treppenaufgang und Anna-Lenas Zimmer hängen voll von Kunstwerken, die sie erstellt hat. Geheimnisvoll anmutende Traumlandschaften wechseln sich ab mit Bildern von Tieren, die zum Anfassen scheinen, hier und da ein Familienportrait. Da war jemand am Werk, der nicht nur Gefühl für Form und Farbe hat, sondern auch Menschen charaktervoll darstellen kann. Das nennt man Kunst. Die junge Lehramtstudentin, Abiturjahrgang 2012, ist eine Künstlerin.

Dabei ziert sie selbst sich ein bisschen mit der Bezeichnung, und als sie sich kürzlich erst mit einer eigenen Facebook-Seite aus der Deckung wagte, „war das ein ziemlich großer Schritt“, erzählt sie: „Da muss man ja angeben, dass man Künstler ist.“

Dabei fand ihre ganze Umgebung schon länger, dass Anna-Lena besonderes Talent besitzt. „Das fing an mit Kleinigkeiten“, erzählt die Mutter. „Wenn andere für Geschenke ins Geschäft gingen, malte und bastelte Anna-Lena lieber selbst.“ Was dabei herauskam, gefiel dann auch noch besonders. Kein Wunder, dass die Schülerin im Kunstunterricht zur Note eins neigte – und besonderen Ehrgeiz an den Tag legte. „Ich habe mich von mir aus für ein Bild immer mehr angestrengt als andere.“

Besonders gerne malte und zeichnete sie schon früh abstrakte Fantasielandschaften, aber irgendwann probierte sie sich am vielleicht schwierigsten Bereich der Kunstmalerei: dem Portrait. Das erste Portrait, da erinnert sich die zierliche Künstlerin noch, war ein Selbstporträt in der zwölften Klasse. Es gefiel – in der Familie und sogar der sonst stets kritischen Mama, und wieder war Ehrgeiz geweckt. Anna-Lena begann mit Familienbildern, übte sich an Promis wie Johnny Depp und traute sich dann auch an Auftragsarbeiten– stets von Fotografien, „Face to Face habe ich noch nie gemalt.“

So ein Werk zu schaffen, hat seine eigenen Gesetze, und zum Talent, das stellte sie fest, gehört auch unbedingt Übung. Die noch unerfahrene Künstlerin übte sich bei jedem Bild in Selbstkritik, wenn sie stundenlang dran gearbeitet hatte. „Ich frage mich bei Portraits immer: Sieht das jemandem noch ähnlich?“ Tut es, und bald hatte sie auch ihre ersten Kunden aus der Schule. „Ganz oft wollen die Leute Potraits haben“

OL-AnnaBild-1312-webDabei ist dieses Gebiet gar nicht ihr Lieblingsfeld. Anna-Lena probiert verschiedene Stilrichtungen aus und lässt am liebsten ihrer Fantasie freien Lauf. Dann geht es nicht einmal unbedingt um die Schaffung eines Bildes, sondern der Weg ist das Ziel. „Das entspannt mich.“ Und der Ehrgeiz verlangt Perfektion: „Wenn mir am Bild etwas nicht gefällt, dann muss ich weitermalen. Das ist wie ein Fluch!“ Da kann denn auch schonmal die halbe Nacht drüber vergehen, wenn sie sich abends an die Staffelei stellt, Ein Ergebnis hängt bei ihr an der Wand und lädt zu näherem Betrachten ein: das Bild eines Leoparden. Stechende Augen fesseln den Betrachter, und das fein gezeichnete Fell möchte man streicheln. Anna mag das Bild, und Mama Anja strahlt stolz ob der Bewunderung vom Besucher.

Was tun mit dem Talent? Die Schülerin war schwer am Grübeln. Es vielleicht als freischaffende Künstlerin versuchen? Gewisse Kundschaft hat sie ja bereits. Die Idee reizt schon. Aber nein, das ist ihr zu unsicher und risikoreich. „Das habe ich mir aus dem Kopf geschlagen“, stellt Anna-Lena fest. „Ich will erst einmal etwas Bodenständiges machen.“ Also studiert sie auf Lehramt für Förderschulen  mit dem Förderschwerpunkt Lern- und Erziehungshilfe. Fachrichtung – natürlich Kunst.

Aber irgendwann. Wenn sie so weitermalt und bekannter wird… „Mal sehen, wie sich das entwickelt“, orakelt die 20-Jährige, „dann versuche ich es vielleicht später mal als freie Künstlerin.“

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